Bürgergeld beantragen – Schritt für Schritt Anleitung
Die Beantragung von Bürgergeld kann auf den ersten Blick komplex erscheinen. Mit unserer ausführlichen Schritt-für-Schritt Anleitung führen wir Sie sicher durch den gesamten Prozess – von der ersten Überlegung bis zum Erhalt des Bescheids.
Vor der Antragstellung: Prüfen Sie Ihren Anspruch
Bevor Sie mit der eigentlichen Antragstellung beginnen, sollten Sie prüfen, ob Sie grundsätzlich Anspruch auf Bürgergeld haben:
- Schnellcheck: Nutzen Sie unseren Bürgergeld-Anspruchrechner für eine erste Einschätzung
- Grundvoraussetzungen: Stellen Sie sicher, dass Sie
- erwerbsfähig sind (mindestens 3 Stunden täglich arbeiten können)
- zwischen 15 und 67 Jahren alt sind (für Kinder oder nicht Erwerbsfähige gelten andere Regelungen)
- Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben
- hilfebedürftig sind (Einkommen und Vermögen reichen nicht für den Lebensunterhalt)
Vermögensprüfung
In den ersten 12 Monaten des Bürgergeldbezugs (Karenzzeit) gilt:
- Vermögen gilt als nicht erheblich, wenn es 40.000 Euro für die erste Person nicht übersteigt
- Für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft: 15.000 Euro
- Angemessener Wohnraum und ein angemessenes Fahrzeug bleiben unberücksichtigt
Nach der Karenzzeit gilt:
- Schonvermögen von 15.000 Euro pro Person
- Strengere Regeln für Wohneigentum und Fahrzeuge
Schritt 1: Antrag vorbereiten
Eine gute Vorbereitung erleichtert die Antragstellung erheblich:
1.1 Unterlagen sammeln
Legen Sie folgende Dokumente bereit:
- Ausweisdokumente: Personalausweis oder Reisepass mit Meldebescheinigung
- Wohnsituation: Mietvertrag, letzte Nebenkostenabrechnung, Nachweise über Heizkosten
- Einkommensnachweise: Lohnabrechnungen, Steuerbescheide, Kontoauszüge der letzten drei Monate
- Vermögensnachweise: Sparbücher, Versicherungspolicen, Fahrzeugschein, Immobiliennachweise
- Weitere Unterlagen: je nach persönlicher Situation (z.B. Schwerbehindertenausweis, Unterhaltsverpflichtungen)
Tipp: Nutzen Sie unsere detaillierte Checkliste für Unterlagen, um sicherzustellen, dass Sie nichts vergessen.
1.2 Personen in der Bedarfsgemeinschaft klären
Überlegen Sie, wer zu Ihrer Bedarfsgemeinschaft gehört:
- Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner
- Unverheiratete Partner, wenn sie in einer "Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft" leben
- Kinder unter 25 Jahren, die im Haushalt leben und nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können
- Eltern oder Elternteile von minderjährigen Kindern, die im Haushalt leben
1.3 Zuständigkeitsklärung
Finden Sie das für Sie zuständige Jobcenter:
- In der Regel ist das Jobcenter am Wohnort zuständig
- Nutzen Sie den Behördenfinder, um Ihr zuständiges Jobcenter zu finden
Schritt 2: Antrag einreichen
2.1 Entscheiden Sie über den Antragsweg
Sie haben verschiedene Möglichkeiten, Ihren Antrag zu stellen:
| Antragsweg | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|
| Persönlich vor Ort | Direkte Beratung, sofortige Klärung von Fragen, Bestätigung des Eingangs | Wartezeiten, Öffnungszeiten beachten, Anfahrt erforderlich |
| Postalisch | Unabhängig von Öffnungszeiten, kein persönliches Erscheinen nötig | Längere Bearbeitungszeit, keine sofortige Klärung von Unklarheiten |
| Digital (Online-Portal) | Jederzeit möglich, bequem, schnelle Übermittlung | Technische Kenntnisse erforderlich, ggf. Probleme bei digitaler Identifizierung |
2.2 Formloser Antrag zur Fristwahrung
Wenn Sie noch nicht alle Unterlagen zusammen haben, können Sie zunächst einen formlosen Antrag stellen:
An das Jobcenter [Name des Jobcenters]
[Adresse des Jobcenters]
[Ihr Name]
[Ihre Adresse]
[Kontaktdaten (Telefon, E-Mail)]
[Ort, Datum]
Betreff: Formloser Antrag auf Bürgergeld
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich/beantragen wir ab dem [Datum] Bürgergeld nach dem SGB II für mich/uns und alle Mitglieder meiner/unserer Bedarfsgemeinschaft.
Die vollständigen Antragsunterlagen werde ich/werden wir schnellstmöglich nachreichen.
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift]
Dieser formlose Antrag wahrt bereits die Frist. Sie müssen dann die vollständigen Unterlagen zeitnah nachreichen.
2.3 Hauptantrag und Anlagen
Für einen vollständigen Antrag benötigen Sie:
- Hauptantrag (Formular zur Grundsicherung für Arbeitsuchende)
- Anlage KDU (Kosten der Unterkunft und Heizung)
- Anlage VM (Vermögen)
- Anlage EK (Einkommen)
- Weitere Anlagen je nach Ihrer Situation (z.B. Anlage KI für Kinder, WEP für Bildungs- und Teilhabeleistungen)
Tipp: Füllen Sie alle Formulare sorgfältig und vollständig aus. Nutzen Sie unsere Formularhilfe für detaillierte Erklärungen zu jedem Abschnitt.
2.4 Einreichen des Antrags
- Persönlich: Bringen Sie alle Unterlagen im Original und in Kopie mit. Lassen Sie sich die Abgabe bestätigen.
- Postalisch: Senden Sie Kopien (keine Originale) und behalten Sie selbst eine vollständige Kopie. Versenden Sie wichtige Unterlagen per Einschreiben.
- Digital: Folgen Sie den Anweisungen im Online-Portal. Achten Sie auf zulässige Dateiformate und maximale Dateigrößen.
Schritt 3: Nach der Antragstellung
3.1 Eingangsbestätigung
- Bei persönlicher Abgabe: Lassen Sie sich eine Empfangsbestätigung ausstellen
- Bei postalischer Zusendung: Verwenden Sie ein Einschreiben mit Rückschein
- Bei digitaler Antragstellung: Speichern oder drucken Sie die Eingangsbestätigung aus dem Online-Portal
Bewahren Sie die Bestätigung sorgfältig auf – sie ist Ihr Nachweis, dass Sie den Antrag fristgerecht gestellt haben.
3.2 Rückmeldung des Jobcenters
Nach Eingang Ihres Antrags kann das Jobcenter auf verschiedene Weise reagieren:
- Vollständigkeitsprüfung: Das Jobcenter prüft, ob alle notwendigen Unterlagen vorliegen
- Nachforderung von Unterlagen: Falls Dokumente fehlen, erhalten Sie eine schriftliche Aufforderung, diese nachzureichen
- Termineinladung: In vielen Fällen werden Sie zu einem persönlichen Gespräch eingeladen
Reagieren Sie auf Schreiben des Jobcenters immer zeitnah und vollständig.
3.3 Persönlicher Termin
Bei einem persönlichen Termin im Jobcenter:
- Seien Sie pünktlich und bringen Sie alle angeforderten Unterlagen mit
- Bereiten Sie sich auf Fragen zu Ihrer persönlichen und beruflichen Situation vor
- Nehmen Sie sich Zeit, um eigene Fragen zu stellen
- Bei Unsicherheit können Sie eine Vertrauensperson mitnehmen
Wichtig: Dokumentieren Sie den Termin – notieren Sie sich, wann Sie mit wem gesprochen haben und welche Vereinbarungen getroffen wurden.
3.4 Eingliederungsvereinbarung
Im Rahmen des persönlichen Gesprächs wird in der Regel eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) abgeschlossen:
- Die EGV legt fest, welche Schritte Sie unternehmen, um wieder in Arbeit zu kommen
- Sie enthält auch, welche Unterstützung das Jobcenter Ihnen anbietet
- Lesen Sie die EGV sorgfältig durch, bevor Sie sie unterschreiben
- Bei Unklarheiten fragen Sie nach oder bitten um Bedenkzeit
Schritt 4: Der Bescheid
4.1 Bewilligungsbescheid
Nach Prüfung Ihres Antrags erhalten Sie einen schriftlichen Bescheid:
- Der Bescheid enthält die Entscheidung über Ihren Antrag
- Bei Bewilligung: Höhe der Leistungen, Bewilligungszeitraum (in der Regel 6-12 Monate)
- Der Bescheid enthält eine ausführliche Berechnung der Leistungen
4.2 Bescheidprüfung
Prüfen Sie den Bescheid sorgfältig auf Richtigkeit:
- Persönliche Daten: Sind alle persönlichen Angaben korrekt?
- Bedarfsgemeinschaft: Wurden alle Mitglieder berücksichtigt?
- Regelbedarf: Ist der korrekte Regelbedarf angesetzt?
- Kosten der Unterkunft: Wurden Miete und Heizkosten vollständig berücksichtigt?
- Einkommen und Vermögen: Wurden alle Freibeträge korrekt berechnet?
- Mehrbedarfe: Wurden zustehende Mehrbedarfe (z.B. für Alleinerziehende, Schwangere) berücksichtigt?
Unsere Anleitung zur Bescheidprüfung hilft Ihnen dabei, mögliche Fehler zu erkennen.
4.3 Bei Fehlern: Widerspruch einlegen
Wenn Sie Fehler im Bescheid entdecken:
- Sie haben einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen
- Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen
- Begründen Sie, warum Sie den Bescheid für fehlerhaft halten
- Fügen Sie Nachweise bei, die Ihre Begründung unterstützen
Detaillierte Hilfe zum Widerspruchsverfahren finden Sie in unserem Widerspruchs-Ratgeber.
4.4 Auszahlung der Leistungen
Bei Bewilligung werden die Leistungen wie folgt ausgezahlt:
- In der Regel erfolgt die Zahlung zu Beginn des Monats für den laufenden Monat
- Das Geld wird auf das von Ihnen angegebene Konto überwiesen
- Die Miete wird in den meisten Fällen an Sie überwiesen (Ausnahme: direkte Überweisung an den Vermieter in bestimmten Fällen)
Schritt 5: Weiterbewilligungsantrag
Der Bürgergeld-Bezug wird für einen bestimmten Zeitraum bewilligt (meist 6-12 Monate). Für eine Weiterbewilligung:
- Stellen Sie rechtzeitig einen Weiterbewilligungsantrag (spätestens im letzten Monat des aktuellen Bewilligungszeitraums)
- Das Jobcenter sendet Ihnen in der Regel automatisch Unterlagen für den Weiterbewilligungsantrag zu
- Der Weiterbewilligungsantrag ist meist weniger umfangreich als der Erstantrag
- Geben Sie alle Änderungen in Ihrer Situation an (Einkommen, Wohnsituation, etc.)
Besondere Situationen
Sofortiger Geldbedarf
Falls Sie dringend Geld für den Lebensunterhalt benötigen:
- Beantragen Sie einen Vorschuss beim Jobcenter
- Weisen Sie bei der Antragstellung auf die besondere Dringlichkeit hin
- Fragen Sie nach einem Termin für die Soforthilfe
Vorläufige Entscheidung
In bestimmten Fällen trifft das Jobcenter eine vorläufige Entscheidung:
- Dies ist oft der Fall, wenn Einkommen schwankt (z.B. bei Selbstständigen)
- Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums und Vorlage aller Nachweise erfolgt eine endgültige Entscheidung
- Dies kann zu Nachzahlungen oder Rückforderungen führen
Umzug während des Leistungsbezugs
Bei einem Umzug während des Bürgergeld-Bezugs:
- Informieren Sie das Jobcenter vor dem Umzug
- Holen Sie vor Anmietung einer neuen Wohnung die Zustimmung des Jobcenters ein (Zusicherung der Kostenübernahme)
- Bei Umzug in einen anderen Zuständigkeitsbereich: Melden Sie sich beim dortigen Jobcenter
Checkliste: Die wichtigsten Punkte im Überblick
- Anspruch prüfen (Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit)
- Unterlagen sammeln (Identität, Wohnen, Einkommen, Vermögen)
- Bedarfsgemeinschaft klären
- Zuständiges Jobcenter ermitteln
- Antrag stellen (ggf. zunächst formlos zur Fristwahrung)
- Vollständige Antragsunterlagen einreichen
- Eingangsbestätigung sichern
- Auf Rückmeldung des Jobcenters reagieren
- Persönlichen Termin wahrnehmen
- Eingliederungsvereinbarung prüfen und ggf. unterzeichnen
- Bescheid prüfen und ggf. Widerspruch einlegen
- Weiterbewilligungsantrag rechtzeitig stellen
Häufige Fehler bei der Antragstellung
- Zu spät beantragen: Bürgergeld wird nicht rückwirkend gezahlt
- Unvollständige Unterlagen: Verzögert die Bearbeitung erheblich
- Fristen verpassen: Sowohl bei der Nachreichung von Dokumenten als auch beim Widerspruch
- Einkommen oder Vermögen verschweigen: Kann zu Rückforderungen und im schlimmsten Fall zu Strafen führen
- Veränderungen nicht mitteilen: Änderungen der persönlichen oder finanziellen Situation müssen umgehend gemeldet werden
Unterstützungsmöglichkeiten
Wenn Sie Hilfe bei der Antragstellung benötigen:
- Beratungsstellen: Sozialverbände, Wohlfahrtsorganisationen, unabhängige Beratungsstellen
- Beistandschaft: Sie können eine Person Ihres Vertrauens als Beistand zu Terminen mitnehmen
- Online-Hilfen: Neben unseren Ratgebern bieten auch die Jobcenter selbst Online-Hilfen an
- Telefonische Beratung: Hotlines des Jobcenters und unabhängiger Beratungsstellen
- Community: Tauschen Sie sich in unserem Forum mit anderen Betroffenen aus
Abschließender Tipp: Dokumentieren Sie jeden Schritt Ihrer Antragstellung. Machen Sie Kopien aller eingereichten Unterlagen und notieren Sie, wann Sie welche Dokumente eingereicht haben. Dies hilft bei späteren Rückfragen und möglichen Unstimmigkeiten.