
Bedarfsgemeinschaft beim Bürgergeld: Wer gehört dazu?
Die Bedarfsgemeinschaft ist ein zentraler Begriff beim Bürgergeld und bestimmt, wie Ihre Leistungen berechnet werden. Einkommen und Vermögen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft werden zusammen betrachtet. Dieser Ratgeber erklärt verständlich, wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, wer nicht – und welche Auswirkungen das auf Ihre Leistungen hat.
Das Wichtigste in Kürze
- Bedarfsgemeinschaft = Personen, die zusammenleben und füreinander einstehen
- Partner gehören immer zur Bedarfsgemeinschaft
- Kinder unter 25 gehören dazu, wenn sie im Haushalt leben
- WG-Mitbewohner gehören in der Regel NICHT dazu
- Einkommen und Vermögen werden gemeinsam betrachtet
- Jedes Mitglied hat eigene Freibeträge
Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?
Eine Bedarfsgemeinschaft ist eine Gruppe von Personen, die:
- In einem gemeinsamen Haushalt leben
- Finanziell füreinander einstehen
- Ihren Lebensunterhalt gemeinsam bestreiten
Das Jobcenter betrachtet die Bedarfsgemeinschaft als wirtschaftliche Einheit. Das bedeutet: Einkommen und Vermögen aller Mitglieder werden bei der Berechnung des Bürgergeldes berücksichtigt.
Rechtliche Grundlage
Die Bedarfsgemeinschaft ist in § 7 Abs. 3 SGB II geregelt. Das Gesetz definiert genau, wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört und wer nicht.
Wer gehört zur Bedarfsgemeinschaft?
Übersicht der Mitglieder
| Person | Zur BG gehörend? | Bedingung |
|---|---|---|
| Erwerbsfähiger Antragsteller | ✅ Ja | Ab 15 Jahren |
| Ehepartner/eingetragener Lebenspartner | ✅ Ja | Nicht dauernd getrennt lebend |
| Unverheirateter Partner | ✅ Ja | Eheähnliche Gemeinschaft |
| Kinder unter 25 | ✅ Ja | Im Haushalt lebend, nicht selbst versorgend |
| Kinder über 25 | ❌ Nein | Eigene Bedarfsgemeinschaft |
| Verheiratete Kinder | ❌ Nein | Eigene Bedarfsgemeinschaft |
| Kinder mit eigenem Kind | ❌ Nein | Eigene Bedarfsgemeinschaft |
| Eltern (unter 25-Jähriger) | ✅ Ja | Wenn unter 25 bei Eltern wohnend |
| Mitbewohner (WG) | ❌ Nein | Keine wirtschaftliche Einheit |
| Untermieter | ❌ Nein | Keine gemeinsame Wirtschaft |
Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte
Die "Kernperson" der Bedarfsgemeinschaft ist der erwerbsfähige Leistungsberechtigte:
- Mindestens 15 Jahre alt
- Noch nicht in Altersrente
- Erwerbsfähig (mindestens 3 Stunden täglich arbeitsfähig)
- Hilfebedürftig (nicht selbst versorgend)
Partner und Ehepartner
Immer zur Bedarfsgemeinschaft gehören:
- Ehepartner (nicht dauernd getrennt lebend)
- Eingetragene Lebenspartner
- Partner in eheähnlicher Gemeinschaft
Wann liegt eine eheähnliche Gemeinschaft vor?
Das Jobcenter prüft bei unverheirateten Paaren, ob eine "Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft" vorliegt. Indizien sind:
| Indiz | Beschreibung |
|---|---|
| Zusammenleben | Länger als 1 Jahr |
| Gemeinsame Kinder | Leibliche oder adoptierte Kinder |
| Gemeinsame Konten | Geteiltes Konto, gemeinsame Finanzen |
| Gemeinsames Eigentum | Wohnung, Auto, Hausrat |
| Versorgung im Krankheitsfall | Gegenseitige Pflege vereinbart |
| Befugnis über Einkommen | Zugriff auf Geld des Partners |
Wichtig: Das Zusammenleben allein reicht nicht aus. Das Jobcenter muss nachweisen, dass Sie füreinander einstehen wollen. Bei Zweifeln kann eine gemeinsame Erklärung oder Einzelfallprüfung erfolgen.
Kinder in der Bedarfsgemeinschaft
Kinder unter 25 Jahren gehören zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie:
- Im gemeinsamen Haushalt leben
- Ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen/Vermögen bestreiten können
Kinder gehören NICHT zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie:
- Das 25. Lebensjahr vollendet haben
- Verheiratet sind oder waren
- Selbst ein Kind haben
- Ausreichend eigenes Einkommen/Vermögen haben
Beispiel: Kinder mit eigenem Einkommen
Situation: 17-jähriger Sohn macht eine Ausbildung und verdient 800 € netto.
Prüfung:
- Eigener Bedarf (Regelsatz Stufe 4): 471 €
- Anteiliger Wohnkostenbedarf: ca. 200 €
- Gesamtbedarf: ca. 671 €
- Einkommen nach Freibetrag: ca. 560 €
Ergebnis: Der Sohn kann seinen Bedarf nicht vollständig selbst decken und bleibt Teil der Bedarfsgemeinschaft. Sein Einkommen reduziert aber seinen eigenen Bürgergeld-Anspruch.
Junge Erwachsene unter 25
Unter 25-Jährige, die noch bei den Eltern wohnen, bilden in der Regel keine eigene Bedarfsgemeinschaft, sondern gehören zur BG der Eltern.
Ausnahmen – eigene Bedarfsgemeinschaft möglich bei:
- Auszug mit Genehmigung des Jobcenters
- Schwerer Konflikt mit Eltern
- Heirat oder eigenes Kind
- Ausreichendes eigenes Einkommen
Tipp: Ein Auszug vor 25 sollte immer vorher mit dem Jobcenter abgestimmt werden. Ohne Genehmigung übernimmt das Jobcenter die Umzugskosten nicht und die KdU können verweigert werden.
Wer gehört NICHT zur Bedarfsgemeinschaft?
Haushaltsgemeinschaft vs. Bedarfsgemeinschaft
| Begriff | Definition | Beispiel |
|---|---|---|
| Bedarfsgemeinschaft | Wirtschaftliche Einheit, gegenseitige Versorgung | Ehepaar, Eltern mit Kind |
| Haushaltsgemeinschaft | Gemeinsamer Haushalt, KEINE gegenseitige Versorgung | Großeltern im Haus |
| Wohngemeinschaft | Nur Wohnraum geteilt, wirtschaftlich unabhängig | WG-Mitbewohner |
Wohngemeinschaft (WG)
WG-Mitbewohner gehören in der Regel NICHT zur Bedarfsgemeinschaft:
- Jeder wirtschaftet für sich selbst
- Keine gegenseitige Versorgungspflicht
- Getrennte Konten und Finanzen
- Nur die Wohnung wird geteilt
Berechnung in der WG:
- Jeder WG-Bewohner hat seinen eigenen Bürgergeld-Anspruch
- Mietkosten werden anteilig (kopfteilig) berücksichtigt
- Einkommen der Mitbewohner ist irrelevant
Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten
Wenn Sie mit Verwandten zusammenleben, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören (z.B. Großeltern, Geschwister über 25):
Vermutung: Das Jobcenter kann vermuten, dass Sie von diesen Personen Unterstützung erhalten.
Widerlegung: Sie können die Vermutung widerlegen durch:
- Nachweis getrennter Haushaltsführung
- Nachweis fehlender finanzieller Unterstützung
- Erklärung der Verwandten
Auswirkungen der Bedarfsgemeinschaft
Einkommensanrechnung
Das Einkommen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft wird berücksichtigt:
- Erst wird der eigene Bedarf des Einkommensbeziehers gedeckt
- Überschüssiges Einkommen wird auf die BG verteilt
- Freibeträge gelten für jeden Einkommensbezieher
Beispiel Einkommensanrechnung
Bedarfsgemeinschaft: Vater (arbeitet, 1.500 € netto), Mutter (arbeitslos), Kind 10 Jahre
Berechnung:
-
Bedarf Vater (Stufe 2): 506 €
-
Bedarf Mutter (Stufe 2): 506 €
-
Bedarf Kind (Stufe 5): 390 €
-
KdU (anteilig): ca. 600 €
-
Gesamtbedarf: ca. 2.002 €
-
Einkommen Vater: 1.500 €
-
Freibetrag (100 + 84 + 144 + 20): 348 €
-
Anrechenbares Einkommen: 1.152 €
-
Bürgergeld-Anspruch: ca. 850 € (2.002 - 1.152)
Vermögensanrechnung
Auch das Vermögen wird zusammen betrachtet:
- Jedes Mitglied hat eigene Freibeträge
- In der Karenzzeit: 40.000 € (erste Person) + 15.000 € (weitere)
- Nach Karenzzeit: 15.000 € pro Person
Regelsätze in der Bedarfsgemeinschaft
| Mitglied | Regelbedarfsstufe | Betrag 2025 |
|---|---|---|
| Alleinstehend | Stufe 1 | 563 € |
| Partner in BG | Stufe 2 | 506 € pro Person |
| Unter 25 ohne eigenen Haushalt | Stufe 3 | 451 € |
| Jugendliche 14-17 | Stufe 4 | 471 € |
| Kinder 6-13 | Stufe 5 | 390 € |
| Kinder 0-5 | Stufe 6 | 357 € |
Besondere Situationen
Temporäre Bedarfsgemeinschaft
Bei getrennt lebenden Eltern kann es zu einer temporären Bedarfsgemeinschaft kommen:
Beispiel: Kind lebt bei der Mutter, besucht aber regelmäßig den Vater (Bürgergeld-Empfänger).
Regelung:
- An den Besuchstagen wird das Kind zur BG des Vaters gezählt
- Der Vater erhält anteiligen Mehrbedarf
- Berechnung: Tage pro Monat / 30
Trennung innerhalb der Wohnung
Wenn ein Paar sich trennt, aber noch in derselben Wohnung lebt:
"Trennung von Tisch und Bett":
- Getrennte Schlafzimmer
- Getrennte Haushaltsführung (Kochen, Einkaufen)
- Getrennte Finanzen
- Keine gemeinsamen Aktivitäten als Paar
Bei nachgewiesener Trennung: Keine gemeinsame Bedarfsgemeinschaft mehr, auch wenn die Wohnung noch geteilt wird.
Schwangere in der Bedarfsgemeinschaft
Schwangere erhalten zusätzliche Leistungen:
- Mehrbedarf: 17% des Regelbedarfs ab der 13. Schwangerschaftswoche
- Erstausstattung: Einmalleistung für Schwangerschaft und Baby
Das ungeborene Kind zählt noch nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Erst ab Geburt wird es Mitglied.
Pflegekinder
Pflegekinder gehören in der Regel nicht zur Bedarfsgemeinschaft:
- Erhalten Pflegegeld (SGB VIII)
- Haben eigenen Unterhalt gesichert
- Bedarfsgemeinschaft der Pflegeeltern nicht betroffen
Tipps und häufige Probleme
Tipps für die Antragstellung
-
Familienstand korrekt angeben: Ehrliche Angaben vermeiden spätere Probleme.
-
WG dokumentieren: Bei WG-Situation getrennte Haushaltsführung nachweisen (getrennte Konten, eigene Lebensmittel, kein gemeinsamer Einkauf).
-
Eheähnliche Gemeinschaft prüfen: Bei Unsicherheit rechtliche Beratung suchen.
-
Kinder-Einkommen beachten: Ausbildungsvergütung, Kindergeld etc. werden berücksichtigt.
-
Änderungen melden: Ein- und Auszüge von Personen sofort melden.
Häufige Probleme
Problem 1: Jobcenter unterstellt Bedarfsgemeinschaft
- Das Jobcenter vermutet eine eheähnliche Gemeinschaft
- Lösung: Schriftlich widersprechen, Indizien widerlegen
Problem 2: WG wird als Bedarfsgemeinschaft behandelt
- Lösung: Getrennte Haushaltsführung nachweisen (Kontoauszüge, Mietvertrag, Einkaufsnachweise)
Problem 3: Partner will nicht mitzahlen
- In der Bedarfsgemeinschaft besteht keine direkte Unterhaltspflicht
- Das Einkommen wird aber angerechnet
- Lösung: Rechtliche Beratung, ggf. Trennung prüfen
Häufige Fragen
Was ist eine Bedarfsgemeinschaft beim Bürgergeld?
Eine Bedarfsgemeinschaft ist eine Gruppe von Personen, die zusammen in einem Haushalt leben und wirtschaftlich füreinander einstehen. Dazu gehören Ehepartner, unverheiratete Partner in eheähnlicher Gemeinschaft und Kinder unter 25 Jahren, die im Haushalt leben. Einkommen und Vermögen aller Mitglieder werden bei der Bürgergeld-Berechnung berücksichtigt.
Gehört mein Partner zur Bedarfsgemeinschaft?
Ja, wenn Sie zusammenleben und füreinander einstehen. Bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern ist das automatisch der Fall. Bei unverheirateten Paaren prüft das Jobcenter, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt (z.B. gemeinsame Kinder, länger als 1 Jahr zusammen, gemeinsame Finanzen).
Bin ich in einer WG eine Bedarfsgemeinschaft?
Nein, in einer reinen Wohngemeinschaft sind Sie keine Bedarfsgemeinschaft. Voraussetzung ist, dass jeder WG-Bewohner wirtschaftlich unabhängig ist: getrennte Konten, eigener Einkauf, keine gegenseitige Versorgung. Das Einkommen Ihrer Mitbewohner wird nicht angerechnet, die Miete wird kopfteilig aufgeteilt.
Ab wann gehören Kinder nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft?
Kinder gehören nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft, wenn sie: das 25. Lebensjahr vollendet haben, verheiratet sind oder waren, selbst ein Kind haben, oder ausreichend eigenes Einkommen/Vermögen haben, um ihren Bedarf zu decken. In diesen Fällen bilden sie eine eigene Bedarfsgemeinschaft.
Was ist der Unterschied zwischen Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft?
Bei einer Bedarfsgemeinschaft leben die Mitglieder zusammen UND stehen füreinander ein (z.B. Ehepaar). Bei einer Haushaltsgemeinschaft leben Personen zusammen, OHNE füreinander einzustehen (z.B. Großeltern im gleichen Haus). Bei einer Haushaltsgemeinschaft kann das Jobcenter aber vermuten, dass Unterstützung erfolgt.
Fazit
Die Bedarfsgemeinschaft bestimmt maßgeblich Ihren Bürgergeld-Anspruch. Partner und Kinder unter 25 gehören in der Regel dazu, WG-Mitbewohner nicht. Bei Unsicherheiten ist es wichtig, die Situation genau zu dokumentieren und bei Bedarf Widerspruch einzulegen. Eine falsche Einordnung kann erhebliche Auswirkungen auf Ihre Leistungen haben.
Weiterführende Informationen
Für vertiefende Informationen empfehlen wir Ihnen folgende Artikel:
- Bürgergeld Regelsätze 2025
- Vermögen und Schonvermögen
- Zuverdienst und Freibeträge
- Checkliste Erstantrag
- Einkommensnachweis und Vermögenserklärung
Quellen
Die Informationen basieren auf folgenden offiziellen Quellen:
- Bundesagentur für Arbeit: Merkblatt zum Bürgergeld (SGB II)
- Sozialgesetzbuch II: § 7 SGB II - Berechtigte
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Informationen zum Bürgergeld
Hinweis: Alle Angaben ohne Gewähr. Stand: Dezember 2025
Rechtlicher Hinweis: Die Informationen in diesem Ratgeber ersetzen keine professionelle Rechtsberatung. Bei komplexen rechtlichen Fragen empfehlen wir, einen Fachanwalt für Sozialrecht oder eine Sozialberatungsstelle zu konsultieren.